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FEHLERTEUFEL

 

Der umgangssprachlich etablierte Terminus „Blankoverordnung“ ist darauf zurückzuführen, dass Ärzt:innen künftig bestimmte Felder in der Verordnung nicht mehr ausfüllen, also „blank“, sprich leer lassen werden. Um einen möglichst reibungslosen Start zu ermöglichen, sind Blankoverordnungen zunächst für drei der zehn ergotherapeutischen Diagnosegruppen vorgesehen. Neben Erkrankungen der Wirbelsäule, der Gelenke und Extremitäten wie Rheuma und handtherapeutischen Problemen werden Ärzt:innen künftig Blankoverordnungen für zwei psychiatrische Erkrankungsfelder ausstellen können. Zum einen sind es affektive und wahnhafte Störungen wie Depressionen, Schizophrenie oder Abhängigkeitssyndrome, unter die beispielsweise Anorexie oder andere Formen der Sucht fallen. Zum anderen erhalten Patient:innen mit den verschiedenen Formen einer Demenz ab April eine Blankoverordnung. Weitere Diagnosegruppen werden folgen.

Ergotherapeutische Therapiegestaltung: Behandlungsverfahren an aktuellem Bedarf orientieren
Was in den freien Feldern der Verordnung, nämlich „Heilmittel“, „ergänzendes Heilmittel“, „Behandlungseinheiten“ und „Frequenz“ umgesetzt wird, entscheiden Ergotherapeut:innen ab April selbst beziehungsweise gemeinsam mit ihren Patient.innen. Das eröffnet beiden einen größeren Gestaltungsspielraum und bedeutet deutlich mehr Flexibilität in vielerlei Hinsicht. Was verbirgt sich hinter diesen Feldern? Bei den Feldern „Heilmittel“ und „ergänzendes Heilmittel“ geht es um die möglichen Behandlungsverfahren. Dass diese nun frei wähl- und wechselbar sind, ist einer der Vorzüge der neuen Verordnungsform. In der Praxis bedeutet dies, dass Ergotherapeut:innen beispielsweise bei Menschen mit affektiven Störung das jeweils aktuell benötigte Behandlungsverfahren anwenden können. Die Ergotherapeutin Bettina Simon erklärt dies genauer: „Nehmen wir als Beispiel Menschen mit einer Depression. Sie haben eine starke Antriebsstörung. Eine ergotherapeutische Intervention könnte daher mit einer psychisch funktionellen Behandlung starten, bei der Patient:innen unter anderem lernen, ihren Alltag und Tagesablauf wieder zu strukturieren, sprich bis zu einer bestimmten Uhrzeit aufzustehen und sich zu richten, so dass sie das Haus verlassen können“. Sobald sie diesen Status erreicht haben, kann es sofern die Patient:innen dazu gerade in der Lage sind, mit Hirnleistungstraining – das ist ein anderes Heilmittel als psychisch funktionell – weitergehen. Je nach Verfassung ihrer Patient:innen ist es Ergotherapeut:innen durch die Blankoverordnung möglich, zwischen den verschiedenen Heilmitteln zu wechseln und das gerade benötigte Verfahren einzusetzen. „Diese Option, sich an der jeweiligen Gemütslage und dem Entwicklungsstand der Patient:innen orientieren zu können ist neu, geradezu revolutionär und trägt nachvollziehbarerweise maßgeblich zu einem in Summe besseren und schnelleren Therapieprozess und Gesamtergebnis bei“, betont die Ergotherapeutin.

Pluspunkt für Therapieprozess und Patient:innen: Termine weg von starr, hin zu dynamisch
Ebenfalls dem Entwicklungsstand der Patient:innen entsprechend kann neuerdings auch die Terminvergabe erfolgen. Bettina Simon bringt das Beispiel einer Hand-OP: „Anfangs ist es wichtig, die frischen Narben zu bearbeiten und zeitnah und hochfrequent die Hand zu bewegen, so dass es nicht zu Verklebungen, Steifigkeiten oder Verkürzungen von Strukturen, Sehnen, Bändern, und so weiter, kommt“. Das ist mit der Blankoverordnung möglich, da die Anzahl der Behandlungstermine und die Frequenz nicht mehr festgelegt sind. Dass dies zu mehr Behandlungsterminen führen wird, ist jedoch nicht zu erwarten, im Gegenteil. Werden Patient:innen dann, wenn hochfrequentes Arbeiten nötig ist, mehrmals die Woche einbestellt, ist zu erwarten, dass dies rascher zu einem besseren Ergebnis der ergotherapeutischen Arbeit führen wird. Ein Ausklingen der Behandlung wird schneller möglich sein, als bei starren Terminen in größeren Abständen wie einmal wöchentlich. Ergotherapeut:innen sind per se nicht daran interessiert, Behandlungen unnötig auszudehnen. Sie haben oft lange Wartelisten und sind darauf aus, ihre Interventionen effizient und zielgerichtet zu gestalten. Ein weiterer Pluspunkt der Blankoverordnung ist die flexible Dauer der einzelnen Intervention. Einzelne Termine können nach Bedarf zwischen 30 und 180 Minuten dauern. Abhängig davon, wie gut der Therapieprozess voranschreitet, können Patient:innen ihre Belastbarkeit schrittweise steigern und das kann jetzt durch die Blankoverordnung auch stattfinden.

Entlastung von Arztpraxen – mehr Abstimmung zwischen Ergotherapeut:in und Patient:in
Die Blankoverordnung entlastet Arztpraxen gleich in zweierlei Hinsicht. Zum einen werden die Blankoverordnungen für Ergotherapie nicht in die Wirtschaftlichkeitsvorgaben der Ärzt:innen gerechnet; Blankoverordnungen sind somit „budgetneutral“ – eine große Erleichterung also für Ärzt:innen. Zum anderen sorgt die Laufzeit von sechzehn Wochen für eine Entzerrung der Besuchsfrequenz in den ärztlichen Praxen. Mussten Patient:innen zuvor für eine erneute Verordnung spätestens nach zehn Wochen zu ihrem Arzt oder Ärztin, sind jetzt sechzehn Wochen Abstand zwischen den Arztbesuchen möglich, es sei denn, die Patient:innen haben andere Beschwerden als die, wegen der sie in ergotherapeutischer Behandlung sind. Was dem Einen Zeit und Aufwand spart, bedeutet für die Anderen, sprich die Ergotherapeut:innen, mehr Zeitaufwand, insbesondere in Hinblick auf die Absprachen. „Ergotherapeut:innen besprechen bei jedem Termin immer als Erstes: wo steht der Patient, die Patientin gerade? Durch die Blankoverordnung kommt im Lauf oder spätestens am Ende der Interventionseinheit hinzu: wie geht es weiter, wie schnell kann der Folgetermin kommen, wie lange kann er dauern, was benötigt der aktuelle Entwicklungsstand und was lässt er gerade zu“, verdeutlicht die Ergotherapeutin und im DVE für Versorgung und Kostenträger zuständige Bettina Simon. Die größere Flexibilität bei der Gestaltung der Therapie erfordert mehr Fragen vonseiten der Ergotherapeut:innen und mehr Entscheidungen, gemeinsam mit den Patient:innen.

Compliance: Patient:innen noch stärker in die ergotherapeutische Intervention einbinden
Die Entscheidungsfreiheit der Patient:innen wird durch die Blankoverordnung größer. Durch die eigene Bereitschaft, an der Therapie mitzuwirken – im Gesundheitswesen „Compliance“ genannt – lässt sich vieles steuern. Die Patient:innen haben einen direkten Einfluss: ihr kooperatives Verhalten, unterstützt durch regelmäßiges Üben zuhause, kann die Therapie beschleunigen und verkürzen, was sich letztendlich auch auf die Höhe der eigenen Zuzahlung auswirkt. Der eigene Kostenanteil lässt sich nicht mehr exakt vorausberechnen, da zu Beginn nicht feststeht, wie viele ergotherapeutische Behandlungstermine nötig sein werden. Jede:r hat dank der Blankoverordnung jetzt viel mehr selbst in der Hand. „Durch die Blankoverordnung wird viel stärker deutlich, in welchem Maß Patient:innen therapiebereit sind und kooperieren“, so die abschließende Einschätzung der Expertin.