Menschen, die an Parkinson erkranken, leben ein Leben wie andere Menschen auch: Sie haben einen Alltag mit Aufgaben und Verpflichtungen, tragen ihren Anteil zum Familienleben bei. Mit dem Zunehmen der Symptome wird es für sie oftmals schwieriger, dem nachzukommen, was ihren Alltag ausmacht. Sie können beispielsweise ihre Arbeiten im Beruf oder zuhause immer weniger so bewältigen, wie sie es von sich selbst erwarten. Die Selbstversorgung, Freizeitaktivitäten oder Aufgaben in der Familie wie Enkel betreuen funktionieren nicht mehr so, dass es den eigenen oder den Ansprüchen innerhalb der Familie gerecht wird. „Die Erkrankung erfordert immer wieder Neuorientierung und flexible Lösungen im Alltag – und zwar vom gesamten Familiensystem.“, erklärt Sabine George, die darauf aufmerksam macht, dass schon ab einem frühen Stadium der Erkrankung themen- und situationsbezogen ergotherapeutische Interventionen sinnvoll sind.
Die gesamte Familie entlasten
Das sehen auch die medizinischen Leitlinien zum Krankheitsbild von Morbus Parkinson vor. ‚Die Therapie rechtzeitig, altersgerecht und effizient beginnen‘ heißt es dort. Hausärzte dürfen und sollen ebenso wie die behandelnden Fachärzte schon frühzeitig begleitende Behandlungen verordnen. Hierzu gehört Ergotherapie, die gemäß Leitlinien für die Erhaltung der Selbstständigkeit in den Aktivitäten des täglichen Lebens sorgt. Die Ergotherapeutin George dazu: „Nehmen wir nochmals das Beispiel der Aufgabenverteilung innerhalb der Familie. Was diejenigen mit Parkinson nicht mehr tun können, übernehmen andere. Das führt aber auf Dauer oft dazu, dass sich die Erkrankten zunehmend wertlos fühlen, wenn sie die für sie wichtigen und sinnvollen Tätigkeiten nicht mehr ausführen können.“ Gleichzeitig leiden die Familienmitglieder, die zusätzliche Aufgaben übernehmen, unter Überlastung; es kommt nicht selten zu Unzufriedenheit und Konflikten. Ergotherapeuten gehen solche Situationen systemisch an und besprechen zunächst mit den Parkinsonpatienten ihre aktuelle Lage. Mithilfe sogenannter Assessments – das sind in die Tiefe des Themas gehende Interviews, Beobachtungsverfahren und Tests – klären sie, wie es um die Bewältigung täglicher Handlungen steht. Wenn die Betroffenen es wünschen, beziehen Ergotherapeuten schon zu diesem Zeitpunkt Familienangehörige ein. So lassen sich mit professioneller Moderation eines Ergotherapeuten Aufgaben entsprechend der Fähigkeiten und Interessen jedes Einzelnen neu auf- und verteilen. Oder die Ergotherapeuten schlagen Anpassungen vor, die es ermöglichen, alle oder einen Teil der Arbeiten weiterhin zu erledigen. Mit dem Resultat, dass die Überlasteten entlastet, die Erkrankten wieder angemessen gefordert und integriert sind und die Familie sich an diesen Herausforderungen weiterentwickelt.
Den Wohnraum durch die ergotherapeutische Brille betrachten
Ein weiteres, für Gesunde banal erscheinendes Problem bei Parkinson ist der Wohnraum. Denn in den eigenen vier Wänden, wo sich die Menschen am häufigsten aufhalten, steckt tatsächlich ein großes Gefahrenpotenzial. „Das ist den wenigsten bewusst.“, so die Ergotherapeutin, die durch ihre Ausbildung unter anderem auch medizinische Kenntnisse hat und weiß, welche Auswirkungen Parkinson für die Betroffenen haben kann. Sie fährt fort: „Wer gefährliche Situationen rechtzeitig entdeckt und ´entschärft´, kann sein Sturz- und Verletzungsrisiko deutlich senken. Das gelingt am besten mit professioneller Hilfe, denn die wenigsten können einschätzen, welche Veränderungen krankheitsbedingt nötig sind.“ Es ist typisch für Ergotherapeuten, eine Bandbreite verschiedener Möglichkeiten vorzuschlagen, um die häusliche Situation anzupassen. Dabei ist feinfühliges Vorgehen wichtig. Menschen wollen mit der Einrichtung ihrer Wohnung eine bestimmte Atmosphäre schaffen, ein Lebensgefühl ausdrücken. Oder sie möchten bestimmte Stücke, an denen Sie voller Erinnerungen hängen, einfach nur weiterhin um sich haben. Mit viel Geschick und Phantasie entwickeln Ergotherapeuten zusammen mit den Bewohnern bezahlbare oder kostenneutrale Ideen, um – ohne das Ambiente zu zerstören – beispielsweise die Beleuchtung in Bodennähe zu optimieren. Oder sie schlagen Veränderungsmöglichkeiten vor, um Engpässe zu beseitigen, die Bewegungsblockaden verursachen können.
Strategien bei Bewegungsblockaden entwickeln
Bewegungsblockaden, medizinisch ‚Freezing‘ genannt, hindern Menschen mit Parkinson daran, einfach loszugehen, sich aus dem Sitzen zu erheben oder enge Stellen zu passieren. Das kommt daher, dass bei Parkinson Nervenzellen im Gehirn allmählich zugrunde gehen. Das wirkt sich besonders folgenträchtig in der sogenannten schwarzen Substanz, einem Teil der Stamm- oder Basalganglien, aus. Denn dort produzieren die Nervenzellen Dopamin. Dieser chemische Botenstoff überträgt zusammen mit anderen Botenstoffen Bewegungsimpulse. Und die sorgen dafür, dass Menschen eine Bewegung beginnen. Ergotherapeuten können zwar nicht die Produktion des Dopamin wieder in Gang bringen, aber sie entwickeln mit ihren Patienten Strategien, um diesen Impuls auf andere Weise herbeizuführen. Oder üben mit den Angehörigen, wie sie es schaffen, mit dem Erkrankten die Bewegung zu initiieren. Und ihn auch dadurch unterstützen, seine Selbstständigkeit im Alltag zu erhalten.
Informationsmaterial gibt es bei den Ergotherapeuten des DVE (Deutscher Verband der Ergotherapeuten e.V.); Ergotherapeuten in Wohnortnähe auf der Homepage des Verbandes im Navigationspunkt Service und Ergotherapeutische Praxen, Suche.
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