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FEHLERTEUFEL

 

Nahezu Jeder kennt es von sich selbst, das Messie-Tum im Miniaturformat: eine unaufgeräumte Schublade mit einem Sammelsurium von Dingen, Kästchen, die zu schön sind, um sie wegzuwerfen, eine Sammlung von Eintrittskarten, Postkarten, Zuckerstückchen aus aller Herren Länder. Sachen, die einem etwas bedeuten, obwohl sie nichts wert sind. Hat Sammelleidenschaft noch einen gewissen Charme, führt sie bei bestimmten Menschen im Lauf der Jahre zum landläufig als Messie-Tum bezeichneten Chaos. „Das, was sich im Außen zeigt, spiegelt das Innenleben der Betroffenen wider“, weiß die Ergotherapeutin Stiebler. Diese Menschen tun sich meist ihr Leben lang schwer, Entscheidungen zu treffen – am Ende auch die, was behalten, was wegtun. Neben bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen können Traumata oder gestörte soziale Funktionen die Ursache sein; auch gibt es eine Theorie zu den innerseelischen Gründen. So kann etwa übertriebenes Reinlichkeitsverhalten Kindern gegenüber dazu führen, dass sie keine Selbstwirksamkeit erfahren oder eine überstrenge Erziehung zu Unselbstständigkeit. In dem kindlichen Bestreben angepasst zu sein, versuchen sie die übertriebenen Anforderungen an sauber, pünktlich, ordentlich sein, zu erfüllen. Was auf Dauer nicht gelingen kann, sondern zu Überforderung führt.

 

Ergotherapeuten bauen Vertrauen auf…
Oft führt die Situation in und um die Wohnung herum zu Ärger mit Nachbarn, Vermietern, dem Partner. Oder dazu, dass Kinder aus der Familie herausgenommen werden sollen. In solchen Situationen akzeptieren Menschen mit einer Organisations-Defizit-Störung leichter Hilfe, beispielsweise von Ergotherapeuten wie Karoline Stiebler. Sie knüpft mit viel Fingerspitzengefühl den ersten Kontakt, baut Vertrauen auf und schafft es so, dass sie die Wohnung Betroffener, in die häufig jahrelang niemand hineindurfte, betreten darf. „Diese Menschen haben Angst, dass man ihnen ihre Sachen wegnimmt. Das haben sie schon erlebt“, bestätigt Stiebler den oftmals übergriffigen Umgang mit den abschätzig als ‚Messie‘ Bezeichneten. Ergotherapeuten sind anders. Es gehört zu ihrem Berufsethos, ihren Klienten auf Augenhöhe und mit Respekt zu begegnen. Bedeutet: klare Abmachungen treffen, Ziele gemeinsam erarbeiten, sich auf den Klienten einlassen.

… und stärken die Motivation
Wie aber gelingt eine Veränderung? Auch da haben Ergotherapeuten ihre Methoden und Strategien. Zunächst klären sie die Motivation, finden mit ihren tiefgründigen Fragen heraus, warum ihre Klienten etwas ändern, eine Therapie machen wollen und was im Einzelnen anders werden soll. Und stellen mithilfe des sogenannten ‚Messie-House-Index‘ fest, wieviel Fläche der Wohnung begehbar ist. Danach gilt es, gemeinsam einen Anfang zu finden. Und zwar im Kleinen. Und im Einverständnis mit dem Betroffenen. Etwa mit einer bestimmten Kiste oder Ecke zu beginnen. Häufig ist auch die Küche übervoll. Dann schlägt Stiebler beispielsweise vor, einen Teil des Geschirrs für einen festgelegten Zeitraum von einigen Wochen in den Keller auszulagern. Meist ist es so, dass die Person mit der Organisations-Defizit-Störung die Sachen nicht vermisst und sie später leichter weggeben kann. Zudem muss sie dann regelmäßig abwaschen, es häuft sich nicht mehr so viel an. Denselben ‚Kellertrick‘ wenden Ergotherapeuten auch bei anderen Gegenständen an. Dabei räumt derjenige selbst, Ergotherapeuten stehen beratend zur Seite, packen allenfalls bei Bedarf mit an. Ihre Aufgabe ist es, den Prozess motivierend zu unterstützen. Dazu setzen Ergotherapeuten eine Methode ein, die auch Psychotherapeuten verwenden und die sogar für Menschen mit zunächst geringer Änderungsbereitschaft geeignet ist: die motivierende Gesprächsführung. Sie loben konsequent. Oder führen alle Aspekte auf, die motivationssteigernd wirken, etwa wenn sich der im Verlauf der Intervention immer wieder ermittelte Quotient aus dem ‚Messie-House-Index‘ verbessert. Und sie flechten in passenden Situationen eben die Argumente ins Gespräch ein, die ihre Klienten als Gründe für die angestrebte Veränderung angegeben haben.

Messie-Hilfe auch für Angehörige von Menschen mit Organisations-Defizit-Störung
Das Auslagern von Gegenständen aus der Wohnung in den Keller oder andere Maßnahmen können, müssen aber nicht klappen. „Es ist wirklich wichtig, sich als Therapeut davon freizumachen, dass als Resultat nur zählt: die ausgelagerten Sachen können weg. Ich muss tatsächlich auch ausstrahlen: Es kommt alleine darauf an, was meinem Gegenüber etwas bedeutet. Kann der Klient Dinge nicht loslassen oder weggeben, ist das seine und nicht meine Sache“, betont die Ergotherapeutin, bestätigt aber gleichzeitig, dass die meisten von Außenstehenden als Messies empfundenen Menschen Erleichterung empfinden, wenn es ihnen gelingt, wieder mehr Platz und Ordnung zu schaffen. Im Unterschied zu Angehörigen oder Freunden ist die Ergotherapeutin emotional weniger involviert. Von der Familie ist dieses professionelle Verhalten kaum zu erwarten. Dennoch rät sie allen im Umfeld, in einer positiven, wertschätzenden Beziehung zu bleiben. Oder auch nachzufragen, wie es demjenigen mit seiner Situation geht, ob er zurechtkommt oder ob Hilfe erwünscht ist. Solche Fragen können Denkanstöße auslösen, solange sie ehrlich und freundlich sind. Was niemals funktioniert: Eigene Ideen überzustülpen oder etwa die Wohnung über den Kopf des anderen hinweg aufzuräumen, Sachen wegzunehmen, Ordnung zu schaffen. Das verschlimmert die Situation, die Unordnung kehrt unweigerlich zurück, die derart Entmündigten verlieren das Vertrauen in die Außenwelt noch stärker.

Wie mehr Ordnung kommt und bleibt
Menschen mit einer Organisations-Defizit-Störung zu therapieren, ist eine komplexe Angelegenheit, so, wie eben auch das Krankheitsbild vielschichtig und alles andere als mangelnde Ordnungsliebe ist. Ziel einer ergotherapeutischen Intervention ist, diejenigen zu befähigen, ihren Alltag besser zu meistern und die erreichte Ordnung dauerhaft zu erhalten. Dazu arbeiten sie mit den Betroffenen Tagespläne, Wochenpläne, Haushaltspläne aus. Überlegen sich gemeinsam, wie es klappen kann, Termine pünktlich wahrzunehmen, beim Eintreffen der Post festzulegen, was kann sofort in den Müll und so weiter. Zudem empfiehlt die Ergotherapeutin: „Es gibt Selbsthilfegruppen, die sich zum Beispiel ‚Messiehilfe‘ oder ‚Messie-Selbsthilfegruppe‘ nennen. Dort werden Tipps ausgetauscht und auch Angehörige können mitkommen. Das verbessert das Verständnis füreinander ganz erheblich.“

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