„Denken Sie nicht an einen rosa Elefanten.“ Mit diesem wirksamen Trick verdeutlicht die Ergotherapeutin Gesa Döringer, DVE (Deutscher Verband der Ergotherapeuten e.V.), weswegen sie und ihre Berufskollegen den Fokus ihrer Klienten immer wieder auf das Positive lenken. Wer zum ersten Mal zu Ergotherapeuten kommt, wird überrascht sein. Davon, dass nicht etwa ‚der rosa Elefant‘ – das Problem – im Mittelpunkt steht. Sondern es auch um Fragen geht wie die eigenen Wünsche, Ziele, Ressourcen, Befähigungen. Dabei umgehen Ergotherapeuten, wenn sie mit psychisch Kranken arbeiten, die Angststörung, die Depression oder die Folgen des Alkohol-, Medikamenten- oder Drogenmissbrauchs ihres Gegenübers nicht. Sie versetzen sie auf vielfältige Weise in die Lage, mithilfe dessen was in ihnen steckt, mit ihrer Krankheit besser zurechtzukommen. Und sie geben der Krankheit und deren Auswirkungen einen neuen Stellenwert.
Respektvoller Umgang
Wie das funktioniert? Die Ergotherapeutin Gesa Döringer pickt sich einen von vielen Aspekten heraus, wie sie psychisch kranken Menschen eine veränderte Sicht auf sich selbst ermöglicht: „Ich mache ihnen beispielsweise ehrliche Komplimente“. Sie ist aufrichtig beeindruckt, wieviel Kraft Menschen mit einer psychischen Erkrankung aufbringen, um bestimmte Situationen in ihrem Alltag zu bewältigen und in die Therapie zu kommen. Das sagt und zeigt sie ihren Klienten, die sich dadurch verstanden fühlen und Vertrauen entwickeln. Das ist essentiell, denn die Betroffenen hören manchmal Stimmen, die ihnen vielleicht sogar Anweisungen geben. Oder ihre psychische Erkrankung lässt sie glauben, dass Ereignisse im Alltag wie etwa ein blaues Fahrzeug Zeichen dafür sind, dass etwas Bestimmtes passieren wird. Wie anstrengend es für diese Menschen ist, sich auf ihr Tun im Alltag zu konzentrieren, lässt sich nur erahnen.
Spurensuche im Alltag
Um den Alltag von Menschen mit einer psychischen Erkrankung zu verbessern, macht Gesa Döringer zusammen mit den Betroffenen eine Betätigungsanalyse. Ihr stehen unterschiedliche Vorgehensweisen zur Verfügung. Etwa die sogenannte ‚Wunderfrage‘, eine in die Zukunft gerichtete Analyse. Also: Wie sieht der Alltag der betroffenen Person aus, wenn über Nacht ein Wunder geschieht? Die Ergotherapeutin lässt sich im Detail beschreiben, wie derjenige Aktivität an Aktivität reiht und welche weiteren Personen dabei eine Rolle spielen; sie lässt sich Gerüche, Gedanken und Gefühle schildern. Das hilft demjenigen sich daran zu erinnern, wie gut sich das alles anfühlt. Und steigert die Motivation, sich für diese Zukunft einzusetzen. Mit ausgeklügelten Fragetechniken und durch immer detaillierter werdendes Nachfragen der Ergotherapeutin kristallisiert sich so auch heraus, welche Tätigkeiten den Alltag dieses Menschen zu einem erfüllten Leben machen. Und wie er sich schrittweise diesem gewünschten Alltag annähern kann.
Das Positive im Alltag suchen und verankern
Die Ergotherapeutin begeistert sich für die vielen ergotherapeutischen Möglichkeiten, um den Alltag von Menschen mit psychischen Problemen zu verbessern. Dabei ist ihr vor allem eine lösungsorientierte, positive Haltung wichtig. Sie sagt: „Ich arbeite eine Stunde in der Woche mit meinen Klienten. Die restlichen 167 Stunden bis zum nächsten Termin sind sie auf sich selbst gestellt“. Ihre Aufgabe ist es, Menschen mit einer psychischen Erkrankung so zu befähigen, dass sie ihren Alltag allmählich besser alleine bewältigen und dabei immer wieder das Positive erkennen können. Dazu erhalten sie nach jeder Intervention die Aufgabe, im Alltag genau darauf zu achten, wann etwas gelingt, wann etwas positiv ist. Wann schafft es beispielsweise eine Mutter mit Depression, Frühstück und Pausenbrote für ihre Kinder zu richten? War es dann, wenn sie rechtzeitig und gut schlafen konnte und erholt aufgewacht ist? Und wie ist es ihr gelungen, in einen guten Schlaf zu kommen? Mit dem Bericht zu den positiven Erlebnissen, also wie es ihnen in der zurückliegenden Woche gelungen ist, der Erkrankung die Stirn zu zeigen, startet das nächste Treffen mit der Ergotherapeutin. Die Erkenntnis, dass das Problem nicht 24 Stunden am Tag da ist, sondern dass es Momente gibt, in denen der Alltag besser funktioniert, sorgt dafür, dass sich die Wahrnehmung des Positiven bei den Menschen mit einer psychischen Erkrankung nach und nach weiter verstärkt. Das kann helfen, zunehmend mehr Vertrauen in sich selbst zu gewinnen.
Bewältigungsstrategien erkennen
Für das Erreichen der anvisierten Ziele spielen die Ressourcen und Fähigkeiten, die in jedem schlummern, eine wichtige Rolle. Fragend tastet sich Döringer so lange vor, bis die Befragten diese selbst erkennen. Dazu analysiert sie mit ihnen beispielsweise die Zeit vor ihrer psychischen Erkrankung und findet so heraus, wie es denjenigen früher gelungen ist, belastende Situationen erfolgreich zu bewältigen. Sie veranschaulicht das am Beispiel eines Klienten mit einer Psychose. Der Mann traute sich zunächst noch nicht, seine Arbeit wieder aufzunehmen, weil er seine Wutausbrüche fürchtete. Aus ihren intensiven Befragungen wusste die Ergotherapeutin, dass er auf hohem Niveau Fußball gespielt hatte. Dabei war es ihm gelungen, während seiner gesamten Spielerlaufbahn keine einzige rote Karte zu bekommen. Sein Geheimnis, sprich seine persönliche Bewältigungsstrategie: Er hatte einen so starken Siegeswillen, dass er immer die Kontrolle über sein Handeln behalten konnte. Mit diesem Bild im Kopf gelang es ihm, bei der Arbeit diesen Siegeswillen wieder aufzubringen, sogar Provokationen von Kollegen auszublenden. Oder Ungerechtigkeiten an sich abgleiten zu lassen. Sein Ziel, zurück ins Berufsleben, hat er erreicht.
Informationsmaterial zu den vielen Themen der Ergotherapie gibt es bei den Ergotherapeuten des DVE (Deutscher Verband der Ergotherapeuten e.V.); Ergotherapeuten in Wohnortnähe auf der Homepage des Verbandes im Navigationspunkt Service und Ergotherapeutische Praxen, Suche.
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