Jeder Mensch hat Schwächen. Die Lust auf Alkohol ist eine der am weitesten verbreitete: Für die meisten gehört es einfach dazu, in Gesellschaft zu trinken. Was für den einen Genuss ist, kann für den anderen jedoch eine Gefahr darstellen. Die Ursachen einer (Alkohol-)Sucht sind auf genetische Unterschiede, aber auch auf die jeweiligen Lebensumstände oder das soziale Umfeld zurückzuführen. In aller Regel sind es Erwachsene im erwerbsfähigen Alter, die unter ihrer Alkoholsucht leiden, ihre Rolle im Beruf und in der Familie nicht mehr aus- und erfüllen können. Geschweige denn ihren Anforderungen an sich selbst gerecht werden. Diesen Menschen steht professionelle Hilfe zu. Das – auch aus volkswirtschaftlichen Gründen – erklärte Ziel: Sie in Entzugskliniken und Reha-Einrichtungen wieder fitzumachen für den Alltag.
Gruppentraining: effektiv und kostenfreundlich
Bewährt haben sich dabei Bewegung und handwerkliches Arbeiten. Bei der Rehabilitation von Menschen mit einem krankhaften Alkoholkonsum erachtet die Ärztin Ladner-Merz darüber hinaus einen weiteren Aspekt als eminent wichtig: das Hirnleistungstraining. „Alkohol verursacht häufig Hirnleistungsstörungen. Die kognitiven Fähigkeiten, also die Denk- und Wahrnehmungsvorgänge, sind bei Menschen, die viel oder regelmäßig Alkohol trinken oft stark beeinträchtigt“, weiß sie und erklärt: „Abstinent zu sein bewirkt jedoch nicht, dass die Menschen sich wieder erholen und von alleine ihre kognitiven Fähigkeiten zurückerlangen“. Dazu verordnen Ärzte ihren Patienten mit einem Alkoholproblem üblicherweise Hirnleistungstraining, eine ergotherapeutische Leistung. Hirnleistungstraining findet in der Gruppe statt und erfüllt damit die Anforderung der Kostenträger an ein budgetfreundliches Verhalten von Ärzten. Vor allem aber ist es besonders effektiv, denn die speziell geschulten Ergotherapeuten regen mit ihren ausgefeilten Fragetechniken das Denkvermögen und die Diskussionsfreude der Teilnehmenden wirkungsvoll an. Sie inspirieren die Gruppe, so dass jeder Einzelne über Dinge und Sachverhalte aus dem Alltag nachdenkt, kombiniert, spekuliert und auf diesem Weg seine Fähigkeit in Zusammenhängen zu denken kontinuierlich verbessert. Das Gedächtnis wird trainiert: sich etwas merken, Informationen abrufen und Antworten formulieren. Bildlich ausgedrückt: Die ‚Hirnautobahnen‘ werden schneller.
Rückkehr in Berufs- …
Wer nach einer alkoholbedingten Auszeit in seinen Beruf zurückkehren und dort wieder erfolgreich Fuß fassen möchte, muss vor allem eines aufweisen: geistige Fitness. Dass diese überhaupt und schneller durch das beschriebene sozialkommunikative Training zurückkehrt, hat Dr. Ladner-Merz in ihrer Studie belegt. „Das Gedächtnis und die Exekutivfunktionen, mit denen die Menschen ihr Verhalten steuern, sind ebenso wie die kommunikativen Fähigkeiten, also Wortfindung und Wortflüssigkeit, bei fast allen Menschen mit einer Suchtproblematik beeinträchtigt; das haben wir gemessen“, weist Ladner-Merz auf die Ausgangssituation ihrer Untersuchungen hin. Nach der ersten Phase der Abstinenz und einem Strukturierungsprogramm mit Betätigungs- und Sportangeboten zeigten erneute Messungen, dass die Gedächtnisleistungen der Studienteilnehmer ohne entsprechendes Training sogar zurückgingen. Umso erfreulicher die Resultate nach der nächsten Phase, in der die Teilnehmenden zusätzlich zum bisherigen Programm kognitives Training nach Dr. Franziska Stengel durch Ergotherapeuten erhielten und so ihre Hirnleistungen stärken und verbessern lernten. Die kognitiven Defizite gingen zurück, 43% der Teilnehmenden hatten gar keine Hirnleistungsstörungen mehr. Und das bereits nach drei Monaten.
… und Privatleben
Ergotherapeuten begleiten Menschen mit einer Alkoholabhängigkeit während der gesamten Zeit ihrer Rehabilitation und Genesung und fungieren noch während der Wiedereingliederungszeit als starker Mentor an ihrer Seite. Gleichzeitig bahnen sie die Rückkehr in das frühere (Privat-)Leben, das jedoch auf keinen Fall wieder so aussehen darf wie zuvor, an. Auch hierbei kommt den Ergotherapeuten eine Schlüsselrolle zu. Sie sind Spezialisten für den Alltag und bereiten die Menschen, die ein Alkoholproblem hatten darauf vor, ihr altes Leben derart umzugestalten, dass sie mit allen Hindernissen und Ereignissen klarkommen werden, die auf sie warten. Ein Hauptaspekt: Der Alkohol. Getreu dem Motto, dass der Mensch ein Gewohnheitstier ist, durchleuchten Ergotherapeuten die früheren Gewohnheiten. Alte Rituale, etwa nach der Arbeit auf die Couch und die Flasche Wein öffnen, sind im ‚Leben danach‘ passé. Gemeinsam mit der betroffenen Person entwickeln Ergotherapeuten Ideen für alternative Möglichkeiten. Vielleicht bekommt die alte Couch einen neuen Platz oder es kommt gleich ein neues Entspannungsmöbel her. Und ein Ersatzgetränk. Oder eine Ersatzhandlung. Oder wenn derjenige dazu in der Lage ist: kontrolliertes Trinken. So, wie es für den Betroffenen oder „Klienten“ wie Ergotherapeuten ihre Patienten auch nennen, passt. Denn die Maxime von Ergotherapeuten lautet: Klientenzentriert, an die Bedürfnisse, Fähigkeiten und Ressourcen des jeweiligen Menschen angepasst zu handeln und auf Augenhöhe, gemeinsam und respektvoll miteinander an Lösungen zu arbeiten.
Informationsmaterial zu den vielfältigen Themen der Ergotherapie gibt es bei den Ergotherapeuten vor Ort; Ergotherapeuten in Wohnortnähe auf der Homepage des Verbandes im Navigationspunkt Service und Ergotherapeutische Praxen, Suche.
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