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FEHLERTEUFEL

 
„Wieder arbeiten“, sagt die Ergotherapeutin Sonja Wandel, sei häufig bei jungen Menschen ein übergeordnetes Ziel, wenn sie – wie das bei einer COVID-19-Erkrankung der Fall ist – quasi unvermittelt aus ihrem Alltag gerissen werden. Es ist zwar selten, dennoch: auch junge oder jüngere, gesunde, sogar durchtrainierte Menschen erkranken so heftig an COVID-19, dass sie ins künstliche Koma versetzt und beatmet werden müssen. In der Folge sind unter anderem neurologische Defizite zu beobachten. Um diese bestmöglich zu behandeln und eine Wiedereingliederung in das Berufsleben zu ermöglichen, sind neben anderen Fachdisziplinen Ergotherapeuten, ähnlich wie in einer Stroke Unit beim Schlaganfall, mit im Team. Ihre Intervention beginnt, sobald die Patienten in einem ansprechbaren Zustand sind.

COVID-19-Patienten für die Therapie gewinnen und motivieren
Im Zuge einer COVID-19-Erkrankung kann es zu neurologischen Defiziten und Hirnleistungsstörungen kommen, wie die Medizin sie bislang vorwiegend im Zusammenhang mit Demenzerkrankungen, aber auch als Folge von Strom- oder Blitzeinschlag, Schlaganfall oder durch Alkoholmissbrauch kennt. Trifft es jüngere oder Menschen mittleren Alters, die sportlich, aktiv und gesund leben, ist ihr Schock über die Beeinträchtigungen umso größer. Die Aufgabe von Ergotherapeuten ist, bei Patienten mit neurologischen Problemen die Hirnleistung wieder zu aktivieren, zu trainieren und langfristig wieder herzustellen. „Ebenso viel Aufbauarbeit ist auf emotionaler Ebene zu leisten“, weist Sonja Wandel auf einen weiteren Aspekt bei der Therapie dieser besonderen COVID-19-Patienten hin. Sie erklärt, dass ihre Patienten sich teils wie Sonderlinge gefühlt oder sich wegen der fehlenden Krankheitsakzeptanz ihr gegenüber kritisch oder ablehnend verhalten hätten. Solche und ähnliche Verhaltensweisen kennen Ergotherapeuten von anderen Krankheitsbildern und wissen daher, wie sie mit viel Fingerspitzengefühl und Einfühlungsvermögen zunächst das Vertrauen der stark verunsicherten Patienten gewinnen. Eine Grundvoraussetzung, um sie für die Intervention zu öffnen, sie kooperationsfähig und einsichtig werden zu lassen.

COVID-19-Erkrankte zielführend behandeln
Ähnlich wie in der Medizin ist das Krankheitsbild COVID-19 auch in der Ergotherapie neu. Anders als in der Medizin können Ergotherapeuten auf eine Fülle bestehender Methoden, Konzepte oder evidenzbasierter, also nachgewiesen wirksamer Vorgehensweisen für die Folgen dieser neuartigen Erkrankung zurückgreifen. Sowohl bei der Behandlung der beschriebenen neurologischen Ausfälle als auch, um die oft als Begleiterscheinung auftretenden psychischen Belastungen aufzufangen. Trotz der vielen Fragezeichen rund um COVID-19 haben es Ergotherapeuten daher leichter, ein individuelles, zielführendes Therapiekonzept zu gestalten, als andere Gesundheitsberufe, da sie betätigungszentriert arbeiten. Zudem überprüfen sie ihr Vorgehen ohnehin laufend und passen dieses wenn nötig an. Die Ursachen, die ein Problem hervorrufen, sind bei ihrer Arbeit mit dem Patienten zunächst nachrangig. Daher finden Ergotherapeuten als Erstes gemeinsam mit ihren Patienten heraus: Was ist das Problem? Bei Patienten, die COVID-19 überstanden haben, ist nicht die COVID-19-Erkrankung das Problem, sondern beispielsweise die Erinnerungslücken durch die neurologischen Defizite. Weiß ein Patient beispielsweise nicht mehr, ob er mit seinem Arzt gesprochen, Termine vereinbart oder andere Aktivitäten ausgeführt hat, weil er es sich nicht aufgeschrieben hat, sind das die Probleme. Ob der Patient diese Schwierigkeiten wegen COVID-19, wegen eines Blitzeinschlags oder aus anderen Gründen hat, spielt an dieser Stelle keine Rolle.

Übertragbare ergotherapeutische Ansätze
Ein weiterer Dreh- und Angelpunkt der ergotherapeutischen Intervention ist, Ziele festzulegen. Auch dies gilt unabhängig von der Erkrankung für alle Patienten. Wer noch jung ist, will die Lebensqualität in allen Bereichen seines Alltags zurückgewinnen, wieder in seinen Beruf zurückkehren, seine Karriere fortsetzen. Dazu die Expertin: „Gemeinsam mit unseren Patienten finden wir Ergotherapeuten heraus, was derjenigen Person wichtig ist, priorisieren dies, formulieren Ziele daraus“. Im nächsten Schritt definieren Patient und Ergotherapeut, welche aktuellen Schwierigkeiten es zu bearbeiten gibt, um zunächst das wichtigste, erste Ziel zu erreichen. Dieselbe Methode lässt sich bei Patienten mit kognitiven Defiziten nach COVID-19 anwenden. Am Beispiel eines äußerst schwer betroffenen jüngeren Mannes, der über vier Wochen im künstlichen Koma beatmet war, beschreibt die Ergotherapeutin Wandel ihr Vorgehen. „Anfangs war der Mann noch nicht die gesamte Behandlungseinheit konkret belastbar; er hatte Schwierigkeiten, einem Gespräch konzentriert zu folgen“, verdeutlicht sie die massiven Defizite, die auftreten können.

Gedächtnistraining analog und digital
Um seine Gedächtnisleistungen zu verbessern, bekam der Patient anfangs die Aufgabe, ein Alltagstagebuch zu führen, in welchem er jeden Abend alle Aktivitäten des Tages so ausführlich es ihm möglich war aufführen sollte. Was anfangs eher bruchstückhaft gelang, wurde mit der Zeit immer ausführlicher. Parallel setzte die Ergotherapeutin auf kognitives Training nach Stengel, um dem Kurzzeitgedächtnis wieder auf die Sprünge zu helfen – eine Herausforderung für Patient und Ergotherapeutin, wie sich herausstellte. Um den Patienten möglichst bald wieder an seine geistige Fitness heranzuführen, brachte die Ergotherapeutin den jungen Mann immer wieder an seine Belastungsgrenzen. Gleichzeitig wurde sie nicht müde, alles immer wieder zu erklären oder zu verbildlichen, da sich der Mann anfangs wegen seines stark beeinträchtigten Kurzzeitgedächtnisses nahezu nichts merken konnte. Um möglichst alle Mittel und Hilfsmittel auszuschöpfen und ebenso, um die Zeit zwischen den einzelnen Behandlungseinheiten optimal zu nutzen, setzt Sonja Wandel so wie viele Ergotherapeuten zur Verbesserung der Hirnleistungen ihrer Patienten diverse computergestützte Trainingsprogramme für zuhause ein. Die Patienten können so selbst entscheiden, wie viel sie üben wollen und auch, wozu sie sich gerade imstande fühlen.

Auf die Wiedereingliederung vorbereiten
Jeder Patient – und das verhält sich auch nach einer COVID-19-Erkrankung genauso – entwickelt und baut seine Fähigkeiten in seinem eigenen Tempo aus. Ist eine aus Sicht von Ergotherapeutin und Patient ausreichende Stabilität erzielt, wird auf die Phase der Wiedereingliederung hingearbeitet. Die berufliche Wiedereingliederung bereiten Ergotherapeuten zunächst ambulant, also in ihren Praxisräumen vor, indem sie ihre COVID-19-Patienten realitätsnahe Übungen machen lassen: Je nach Tätigkeit bedeutet dies beispielsweise Texte und E-Mails formulieren, bearbeiten und sich sicher durch alle Programme bewegen. Ein ebenso wichtiger Part ist, Strategien und Kompensationsmöglichkeiten zu finden, um weiter bestehende Defizite aufzufangen. Viel telefonieren müssen oder an Meetings teilnehmen, wenn Gedächtnisleistungen wie Konzentrations- und Merkfähigkeit noch nicht wieder vollständig funktionieren, brächte Betroffene schnell ins Schleudern. Ergotherapeuten unterstützen daher ihre Patienten dabei, Ideen und Lösungswege zu entwickeln und passende Hilfsmittel zu kreieren. Individuell gestaltete Notizbücher oder Arbeitsblätter sind genauso wichtige Begleiter beim beruflichen Neustart wie das erlernte Wissen zur Einschätzung der eigenen Ressourcen. Pausen einzubauen, Entspannungsübungen zu machen – das muss eine Selbstverständlichkeit im neuen Arbeitsalltag sein. Denn auch das lernen Patienten von ihren Ergotherapeuten: den eigenen Anspruch zu relativieren, zu akzeptieren, was und wie es ist. Selbst die, die vollständig durch COVID-19 ausgeknockt waren.

Informationsmaterial zu den vielfältigen Themen der Ergotherapie gibt es bei den Ergotherapeuten vor Ort; Ergotherapeuten in Wohnortnähe auf der Homepage des Verbandes unter https://dve.info/service/therapeutensuche

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