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FEHLERTEUFEL

 

Immer öfter kommen Hunde als sogenannte Therapiebegleithunde bei Ergotherapeut:innen zum Einsatz, sofern die Patient:innen und Klient:innen damit einverstanden sind und Hunde mögen. „Es ist wissenschaftlich belegt, dass Streicheln, Spielen und andere Interaktionen mit Hunden das Stressempfinden von Menschen herunterregulieren. Gleichzeitig wird im Gehirn das Hormon Oxytocin ausgeschüttet, was ein Wohlbefinden erzeugt und die Konzentrationsfähigkeit erhöht“, erklärt die Ergotherapeutin Anja Junkers den Effekt von Therapiehunden. Lernen, das Entwickeln von Verhaltensstrategien und das Verankern neuer Verhaltensmuster sind unter Stress gehemmt. Befassen sich Patient:innen jedoch mit dem Hund, führt das zuvor erklärte Wirkprinzip zu Entspannung, die ergotherapeutischen Angebote können greifen.

Hund ja oder nein? Ergotherapeut:innen wägen sorgfältig ab
Ob ihre Intervention mit oder ohne Therapiehund sinnvoller verlaufen kann, erwägt die Ergotherapeutin nach den ersten Terminen: Dem Anamnesegespräch, in welchem es um die Vorgeschichte der aktuellen Erkrankung oder Situation geht und einem Assessment. Die Fragen im Assessment dienen dazu herauszufinden, was Patient:innen wichtig ist, welche Aktivitäten sie durch ihre Erkrankung nicht mehr ausüben können und welche Ziele sie haben. Die Ergotherapeutin stellt danach ihre Überlegungen an: „Was benötigt der Mensch, der gerade vor mir sitzt – unabhängig von der Diagnose, die auf seiner ärztlichen Verordnung steht – und ist das Einbeziehen des Hundes die bestmögliche Herangehensweise“? Ist sie nach den ersten Kennenlernterminen der Meinung, die Therapie könnte tiergestützt eine positive Auswirkung auf ihre Patientin oder ihren Patienten haben, die Qualität der Behandlung verbessern und sie effektiver verlaufen lassen, klärt sie, ob die folgenden Termine in Gegenwart des Hundes stattfinden dürfen. Wer bereit ist für die tiergestützte Ergotherapie, überlegt gemeinsam mit seiner Ergotherapeutin oder seinem Ergotherapeuten, wie der Hund das Erreichen der festgelegten Ziele beschleunigen kann: Ist der Plan etwa, mit dem Hund rauszugehen, U-Bahn fahren zu üben oder einkaufen zu gehen und durch den Hund mehr Selbstsicherheit zu erlangen? Dann kann die Intervention starten – immer mit dem Hund an der Seite.

Dem Hund zuliebe: Handlungsunfähigkeit überwinden
Die Ergotherapeutin hat ihren Therapiehund schon bei den unterschiedlichsten Diagnosen einbezogen. So etwa bei einer Patientin mit Schlaganfall, die sich selbst nichts mehr zutraute. Ein (Erfolgs-)Erlebnis mit dem Hund war maßgeblich für ihren Sinneswandel und Wendepunkt für die Therapie. An einem Schlechtwettertag hatte die Patientin, die von sich dachte, sie könne ihren Haushalt nicht mehr selbst führen, die Idee, Plätzchen für den Hund zu backen. Nach dem gemeinsamen Einkauf mit der Ergotherapeutin buk sie und freute sich von Herzen über die Freude des Hundes, der die liebevoll hergestellten Leckerli sehr mochte. In der Reflexion nach der Stunde zeigte sich die Patientin ganz überrascht, wie leicht ihr sämtliche Handlungen gefallen waren. Dadurch, dass sie selbstständig war, erhielt ihr Selbstvertrauen einen enormen Schub – es kam eine neue Dynamik in die Therapie. Die Ergotherapeutin dazu: „Ist der Hund als Medium zwischengeschaltet, gibt es keine Erwartungen oder Vorschläge. Der Hund steht hierarchisch betrachtet unter dem Menschen, wodurch sich Patient:innen selbstwirksam erleben: Sie entscheiden aus einer Position der Kraft heraus und in ihrer eigenen Geschwindigkeit, was der Hund für sie – oder wie im Fall der Patientin mit Schlaganfall – sie für ihn tun kann“.

Hund als Türöffner: Möglichkeiten herbeiführen, die es sonst nicht gibt
Bei Kindern kann es ungeahnte Effekte haben, sich mit dem Hund draußen zu zeigen. Junkers berichtet in diesem Zusammenhang von einem ihrer Palliativkinder, das in ein neues Dorf umgezogen war. Die Dorfbewohner und auch alle Kinder hielten von Anfang an Abstand – das Kind in seinem E-Rolli mit Sauerstoffversorgung war ihnen suspekt. Doch schon der erste Besuch des Spielplatzes zusammen mit der Ergotherapeutin und in Begleitung des Therapiehundes wendete das Blatt: Die spielenden, gesunden Kinder wollten gerne den Hund streicheln und kamen so mit dem Kind im Rolli ins Gespräch, fragten, was es hat und was der Hund tut. Durch die Annäherung über den Hund entstanden Freundschaften, die von den Kindern zu den Eltern übertragen wurden. „Der Therapiehund hat in diesem Fall das Eis gebrochen und die Integration der gesamten Familie in das neue Umfeld ermöglicht, was mit der Anwesenheit einer Therapeutin ohne Hund an der Seite des Kindes vermutlich so nicht eingetroffen wäre“, schildert die Ergotherapeutin, wie es hier zu einem kleinen Wunder kommen konnte.

Dank Hund: Wende in der Therapie und neue Erkenntnisse zum Patienten
Ein weiteres, wirkliches Wunder geschah mit einem Kind mit Autismus-Spektrum-Störung, das zeit seines Lebens nicht gesprochen hat; es war keinerlei Kommunikation mit dem Neunjährigen möglich. Um einen neuen Ansatz zu versuchen, kam ein Therapiehund ins Spiel und um diesen zu schützen, musste der Junge seine Schuhe ausziehen. Zum großen Erstaunen der anwesenden Therapeut:innen fing er an, mit seinen Füßen den Hund zu streicheln; im Takt der Rutenbewegungen des Hundes klopfte er mit dem Knie auf den Boden. Nach mehreren Jahren Therapie, die sich mittlerweile mehr oder weniger im Stillstand befand, zeigte sich durch die Anwesenheit des Hundes ein Weg, mit ihm zu kommunizieren. Es wurde vereinbart, wie oft er für „ja“ und wie oft für „nein“ klopfen sollte. Die Erkenntnis, dass der autistische Junge seine Füße einsetzte, um zu spielen und in Kontakt zu kommen, öffnete den Weg, um mit ihm eine Form der Spielentwicklung zu beginnen und ihn dadurch auch durch andere Therapieformen zu fördern. Er konnte mit Logopädie beginnen und mit Musiktherapie.

Weiterbildung zur tiergestützten Ergotherapie: von Ergotherapeutin zu Ergotherapeut:in
Anja Junkers hat eine Übersicht entwickelt, die sie gerne an die Teilnehmenden ihrer Weiterbildungsveranstaltungen weitergibt. Mithilfe dieser Matrix klärt sie auch für sich selbst, wann der Einsatz des Hundes die richtige Entscheidung ist. „Das ist die zentrale Frage“, betont sie. Neben den für die ergotherapeutische Intervention und mögliche Herangehensweisen wichtigen Informationen spricht die Ergotherapeutin bei ihren Veranstaltungen über die rechtlichen Aspekte, die zu beachten sind. Darüber hinaus geht es auch darum, wie die Hunde auszubilden sind – das ist eine grundlegende Voraussetzung – und wie ihr Einsatz, auch zeitlich, aussehen soll. Dabei spielen tierethische Überlegungen eine große Rolle, denn der Arbeitseinsatz eines Tieres sollte nie auf dessen Kosten gehen. Schließlich ist der Hund Co-Therapeut und soll neben seinem Job als solcher auch ausreichend Zeit haben, um seiner Hauptaufgabe nachzugehen: Hund sein. Nur wenn er genauso entspannt und glücklich ist, wie er die Patient:innen entspannt und glücklich macht, wird aus der tiergestützten Ergotherapie mit Hund eine runde Sache.

Informationsmaterial zu den vielfältigen Themen der Ergotherapie gibt es bei den Ergotherapeut:innen vor Ort; Ergotherapeut:innen in Wohnortnähe auf der Homepage des Verbandes unter https://dve.info/service/therapeutensuche