Depressive Störungen sind die häufigste, psychische Erkrankung. Die meisten gehen jedoch davon aus, dass diese Erkrankung nur bei Erwachsenen auftritt. Daher ist vielen Eltern einfach nicht bekannt, dass sogar bei kleinen Kindern schon Anzeichen von Depressivität auftreten können. „Jüngere Schulkinder, die sich in einer so genannten depressiven Episode befinden, können ihre Symptome selbst beschreiben. Sie berichten beispielsweise von ihrer Traurigkeit, Schlaf- oder Konzentrations- und Gedächtnisstörungen.“, verdeutlicht Anja Timmer vom DVE (Deutscher Verband der Ergotherapeuten e.V.), was in diesen Kindern vorgeht. Sie empfiehlt Eltern, ihre Kinder aufmerksam zu beobachten und sich gegebenenfalls frühzeitig um professionelle Hilfe zu bemühen. Ergotherapeuten sind Spezialisten, die sich um eine große Bandbreite von Kinderproblemen kümmern und dabei auch das Umfeld mit einbeziehen. Denn nur so lassen sich dauerhafte und nachhaltige Lösungen finden, die zielführend, familienfreundlich und alltagstauglich sind.
Die Ergotherapeutin Anja Timmer hat viel Erfahrung und arbeitet schon lange mit Kindern und Jugendlichen. Sie versteht sehr gut, wenn Eltern bei Anzeichen wie Reizbarkeit, Unruhe oder generell bei Entwicklungsverzögerungen lieber erst etwas abwarten. „Allerdings kann die Summe oder Häufigkeit der einzelnen Symptome schon bei Kindern im Kleinkindalter ab einem Jahr auf eine depressive Episode hinweisen.“, erläutert die Ergotherapeutin, worauf Eltern achten sollten. Wichtig erscheint ihr, früh genug Hilfe von kompetenten Ärzten und Spezialisten zu suchen. Denn sie weiß aus der täglichen Arbeit, dass – handelt es sich bei einem Kind tatsächlich um eine depressive Episode – diese gut behandelbar ist. Und: So lässt sich oftmals vermeiden, dass die Probleme wiederkehren oder sich in späteren Jahren stärker ausprägen und manifestieren. Daher ist es gut, wenn Eltern im Zweifelsfall etwas unternehmen und mit dem Kinderarzt besprechen, was sie an ihrem Kind beobachten. Gehen die Kinder schon zur Schule, sind sie durchaus in der Lage, dem Kinderarzt ihre Gemütslage oder Ängste selbst zu schildern.
Genau hinschauen und handeln
Ein Großteil der Kinder und Jugendlichen, die Anja Timmer während deren Klinikaufenthalt ergotherapeutisch betreut, ist bereits in der Pubertät. Ein schwieriges Alter, in welchem Eltern noch genauer differenzieren sollten, was sie besser „durchgehen“ lassen oder wo einzugreifen ist. Denn Stimmungsschwankungen, aufsässiges Verhalten oder Verschlossensein und Geheimniskrämerei gehören zu dieser Entwicklungsphase von Jugendlichen dazu. „Eine wichtige Rolle spielt der Zeitraum.“, fordert Anja Timmer als erfahrene Ergotherapeutin grundsätzlich zu Geduld auf, erklärt aber weiter: „Stellen Eltern Zustände von aggressivem Verhalten oder schlechter Stimmung dauerhaft über eine längere Zeit hinweg an ihrem Nachwuchs fest, können dies tatsächlich Symptome einer depressiven Episode sein.“ Zum Thema Dauer will sich niemand ganz genau festlegen; in der Literatur ist von mehreren Wochen die Rede. Viel wichtiger als das Tage zählen im Kalender ist jedoch das genaue Hinschauen. Das wiederum können Ergotherapeuten ganz besonders gut. Mit ihrer Art des empathischen Coachings gelingt es Ergotherapeuten immer wieder gut, ihre jungen Klienten mit der Vielzahl von Techniken und Maßnahmen der Ergotherapie aus der Reserve zu locken. Und sie finden dann auch oft heraus, was der Grund für die derzeitige Gemütslage ist. Denn neben offensichtlichen Ursachen wie traumatischen Erlebnissen, also beispielsweise einem Unfall, der Scheidung der Eltern, Misshandlung oder Missbrauch entwickeln gerade Jugendliche sehr häufig depressive Zustände wegen Mobbing, Leistungsdruck in der Schule oder sie sind unglücklich verliebt.
Verloren gegangene Fähigkeiten reaktivieren
Die Ergotherapeutin Timmer betreut in der Klinik, in der sie interdisziplinär mit anderen Spezialisten zusammen arbeitet, oft Jugendliche, die von Cannabis abhängig sind. Bei ihnen lässt sich allerdings nicht mehr feststellen, was zuerst war: Der Drogenkonsum oder die depressive Stimmung? Hat letztere dazu verführt, Cannabis zu konsumieren oder hat das Cannabis in die Depressivität geführt?. Gleich nach dem körperlichen Drogenentzug ist daher die „Umpolung“ im Kopf wichtig, die Jugendlichen aus ihrer depressiven Stimmung zu holen und zu stärken. Gemeinsam mit den behandelten Jugendlichen analysieren Ergotherapeuten zunächst den Status quo vor der Einweisung in die Klinik. Dabei spielen vor allem Dinge wie der Tagesablauf im „alten Leben“, Interessen und Fähigkeiten eine wichtige Rolle. Denn Ergotherapeuten arbeiten im Positiven, schauen, was können die Jugendlichen. Und dann setzen sie genau da an, aktivieren die Ressourcen, die abhandengekommen sind. Aus der großen Bandbreite der ergotherapeutischen Möglichkeiten bieten sie die jeweils passenden Dinge zur Stabilisierung an. Dadurch baut sich neben dem Selbstvertrauen auch die Selbstwirksamkeit wieder auf, also zu wissen, dass man etwas bewirken kann. Die in der Klinik vorgegebene Tagesstruktur durch festgelegte Essens- und Schlafenszeiten tut ein Übriges: Die Jugendlichen erfahren einen geregelten täglichen Ablauf, lernen sich wieder sinnvoll zu beschäftigen.
Verflechten von Klinik- und realem Leben
Der Alltag in der Klinik ist die Vorbereitung auf das „danach“, die Wochenenden – denn dann dürfen die Klinikpatienten nachhause – sind die Belastungsprobe. Ergotherapeuten wie Anja Timmer bereiten ihre Klienten darauf immer sehr gut vor und klären mit ihnen, was sie vorhaben, mit wem sie sich treffen möchten. „Ich rege sie an zu reflektieren, ob ihre Pläne sie in ihrer Situation unterstützen oder sie eher Gefahr laufen, in alte Muster zurück zu verfallen. Und ich vergewissere mich, ob sie auch alles für ihre Skillskette dabei haben.“ Dahinter steckt DBT (Dialektische Behaviorale Therapie), ein ganzes Therapiekonzept. Es geht darum, die Denk-, Gefühls- und Verhaltensmuster zu verändern und in eine neue Richtung zu lenken, die die Klienten stabilisiert. Dazu übt Anja Timmer mit ihnen eine individuell erarbeitete Folge von Ersatzhandlungen, die sie starten, wenn sie Gefahr laufen, zum Joint zu greifen, sich zurückzuziehen, sich zu ritzen, und und und. Was bei dem Einen Schokolade essen, gefolgt von Knautschball drücken, Joggen oder kognitiven Übungen ist, kann bei anderen völlig anders aussehen. Das Prinzip ist dasselbe: Durch konsequentes Üben und Praktizieren werden die Gedanken und Handlungen umgelenkt und neu orientiert, die ergotherapeutisch behandelten Kinder und Jugendlichen sukzessive wieder in die Lage versetzt, ein funktionierendes und dadurch zufriedenes Leben zu führen. Informationsmaterial zu den Behandlungsfeldern der Ergotherapie erhalten Interessierte bei den Ergotherapeuten vor Ort; diese sind über die Therapeutensuche im Navigationspunkt „Service“ des DVE (Deutscher Verband der Ergotherapeuten e.V.) auf www.dve.info zu finden.
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