Gesundheit macht zufrieden. Bedeutet im Umkehrschluss, dass Krankheit unzufrieden macht. Tatsächlich haben Krankheit oder Beeinträchtigung als Dauerzustand oftmals zur Folge, dass die betroffenen Menschen ihr Leben nicht oder nicht mehr so führen können, wie es ihren Vorstellungen entspricht. Und darunter leiden. „Die Aspekte ‚Teilhabe‘ und ‚selbstbestimmt leben‘ sind Dreh- und Angelpunkt in der Ergotherapie. Oder anders formuliert, bringen wir Ergotherapeuten Patienten schnellst- und bestmöglich dazu, ihr Leben und ihren Alltag (wieder) zu bewerkstelligen.“, erläutert die Ergotherapeutin Gaby Kirsch, DVE (Deutscher Verband der Ergotherapeuten e.V.), weswegen Ärzte Ergotherapie bei nahezu allen Erkrankungen begleitend oder als einzige Therapieform verordnen.
Das Gesundheitswesen ist geprägt von Reformen und entsprechend unterliegen auch die Akteure in diesem Bereich einem ständigen Wandel. Dabei gibt es wohl kaum eine Berufsgruppe, die ihr Berufsbild so kontinuierlich verändert und optimiert hat, wie die Ergotherapeuten. Ergotherapie kommt inzwischen fast überall zum Einsatz. Denn Ergotherapeuten befähigen Betroffene, die eine körperliche, geistige oder seelische Einschränkung haben, ihre Alltagsaktivitäten ausführen zu können.
Gezielt befragen – empathisch zuhören
Wer in die Ergotherapie kommt, lernt als Erstes, dass er in seiner Gesamtheit im Mittelpunkt steht. Mitsamt seinen Alltagsthemen, Wünschen und Zielen, seinen Fähigkeiten und Ressourcen. Und er erfährt auch, dass Ergotherapeuten eine der wenigen Berufsgruppen sind, die das Gespräch, das auf Menschen eingehen, in den Vordergrund stellen. Doch sind die Behandlungseinheiten in der Ergotherapie beileibe keine Plauderstunden. Mithilfe ausgeklügelter, sehr ins Detail gehender Fragebogen lassen sich Ergotherapeuten den Alltag ihres Gegenübers schildern und fertigen daraus gemeinsam mit dem Patienten ein Alltagsprofil. “Warum mach ich das?“, fragt Gaby Kirsch und löst auf: „Die Patienten reflektieren so ganz systematisch, wie der Tag und die Woche aussieht, welchen Aktivitäten und Betätigungen sie nachgehen. Und wie das im Einzelnen klappt und welche Betätigungen von welcher Bedeutung sind.“ Oberflächlich betrachtet, hört sich dies vielleicht banal an. Ist es aber nicht. Denn es geht auch darum herauszufinden, was macht die Persönlichkeit des Betroffenen aus. Da ist das Geschick des Ergotherapeuten gefragt, Zwischentöne zu hören, Leidenschaften zu erkennen und weiter nachzuhaken. Hat dieser Mensch durch eine Einschränkung oder einen Unfall eine Rolle verloren, über die er sich zum großen Teil identifiziert, die ihn mit Glück erfüllt? Dann ist es ein Anliegen, ein Ziel, dies wieder ausleben zu können. So, dass er seine Rolle im Leben wieder einnehmen und sich gesund und zufrieden fühlen kann.
Aus und in der Praxis
Gaby Kirsch hat in ihrer langjährigen Praxis schon unzähligen Patienten mit den unterschiedlichsten Anliegen und Zielen dazu verholfen, sich trotz Einschränkungen wieder glücklich und als Teil der Gesellschaft zu fühlen. So erzählt sie zum Beispiel von einem passionierten Radfahrer, den sie nach einem Schlaganfall mit einer bleibenden Gleichgewichtsstörung betreut hat. Was anfangs unmöglich schien – und sogar von den Ärzten negiert wurde – hat ihre ergotherapeutische Intervention tatsächlich bewirkt: Der Mann konnte nach vielen Wochen Coaching und intensivem Training wieder mit dem Fahrrad zum Einkaufen und zur Arbeit fahren; sogar Fahrradausflüge mit Freunden wurden im Lauf der Zeit wieder möglich. „Ich habe meist vor Ort, mit seinem dafür neu erworbenen und nicht mehr so sportlichen Fahrrad mit ihm geübt. Zuerst auf unbefahrenen Wegen sicheres Auf- und Absteigen trainiert und auch ‚wie geh ich mit dem gestörten Gleichgewichtssinn um‘. Derart gewappnet, wuchs die Sicherheit, er konnte sich immer weiter in den regulären Straßenverkehr begeben.“, legt die Ergotherapeutin den großen Unterschied zu anderen Disziplinen dar, wo beispielsweise Fahrradfahren auf dem Fahrradergometer geübt wird. Was aber andere Effekte hat wie beispielsweise Muskelaufbau. Ein weiterer Faktor, den vor allem Ergotherapeuten berücksichtigen, ist das Einbeziehen des Umfeldes. In diesem Fall also Fahrrad, Straßenverkehr, Umgang mit Stresssituationen und anderen auch physikalischen Gegebenheiten wie ‚das Fahrrad wackelt‘, Ausweichmanöver und so weiter. Das lässt sich nur praktisch üben, an der Seite und in der Sicherheit, die Ergotherapeuten mit ihrem professionellen Coaching bieten.
Abläufe untersuchen
Gesunde Menschen tun einfach das, was sie so tun wollen und müssen – und in der Regel beherrschen sie das ja auch. Bei Menschen mit körperlichen, seelischen oder geistigen Einschränkungen ist das anders. „Bei meinen Patienten ist es so, dass sie sich wünschen, eine bestimmte Handlung (wieder) ausführen zu können. Setzen wir uns dann, so wie es die typischen, ergotherapeutischen Vorgehensweisen vorsehen, detailgenau mit einzelnen Tätigkeiten und Handlungen auseinander, erhalten wir oft verblüffende Erkenntnisse.“, lässt Gaby Kirsch weitere Einblicke in die Praxis zu. Das kleinschrittige Zerlegen von Handlungen wie Einkaufen, Kochen, zur Arbeit fahren und weiteren Tätigkeiten des Alltags bringt erst zutage, wo es wirklich ‚klemmt‘. Und das ist manchmal nur ein einziger Teilbereich aus dem gesamten Ablauf, oder die Art und Weise, wie sich jemand angewöhnt hat, etwas zu tun, die verhindern, dass ein Patient selbstständig eine für ihn wichtige Aktivität ausführen kann. Und genau für diesen Teil finden Ergotherapeut und Patient gemeinsam eine Lösung. Die beispielsweise sein kann, aus dem sozialen Umfeld Hilfe zu erbitten. Oder Hilfsmittel zu verwenden, oder Abläufe umzustellen und somit im Sinne des Patienten zu optimieren.
Die Ergotherapeuten vor Ort halten Informationsmaterial zu den vielfältigen Themen und Möglichkeiten der Ergotherapie bereit. Zu finden auf der Seite des DVE (Deutscher Verband der Ergotherapeuten e.V.) unter https://dve.info/ergotherapie/therapeutensuche.
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