Das Thema ist präsent: Auf Bundesebene waren Schulgeld- und Ausbildungskostenfreiheit ein Punkt der Koalitionsverhandlungen. Auf Landesebene ist die Politik zum Teil schon weiter. Denn einige Landesregierungen befassen sich derzeit mit dem Thema „Schulgeldfreiheit“ beziehungsweise überprüfen grundsätzlich über das Schulgeld hinaus auch die Finanzierung der Schulen in den Gesundheitsfachberufen sowie der Hochschulen mit entsprechenden Studiengängen. Denn bleibt man beim Beispiel der Ergotherapeuten, ist es so, dass es kaum staatliche und kostenfreie Ausbildungseinrichtungen wie Schulen und Hochschulen gibt. Die hauptsächlich privaten Einrichtungen überleben knapp mit staatlichen Zuschüssen und dem Schulgeld beziehungsweise den Studiengebühren, die sie den Schülern und Studierenden abverlangen. Die wiederum erwartet ein so geringes Gehalt, dass sie damit die in die Ausbildung investierten Gelder nicht erwirtschaften können. „Wir begrüßen die Auseinandersetzung mit einer für die Schüler und Studierenden kostenfreien, qualitativ hochwertigen und zukunftsorientierten Ausbildung. Und wünschen uns die Schulgeld- oder exakter ausgedrückt: Ausbildungskostenfreiheit. So, wie das für viele andere Berufe auch der Fall ist.“, fordert Inga Junge und bietet an: „Wir als Deutscher Verband der Ergotherapeuten stellen unsere Expertise bei diesem Thema gerne zur Verfügung und unterstützen alle entsprechenden Untersuchungen und Anfragen mit aktuellen Zahlen und Fakten.“ Der DVE hat in enger Abstimmung mit dem VDES (Verband Deutscher Ergotherapie-Schulen e. V.) eine detaillierte Kostenkalkulation ebenso wie ausführliche Erläuterungen der zugrunde gelegten Rahmenbedingungen ausgearbeitet.
Investitionsstau auflösen und Qualität steigern
Nur die Entlastung der Schüler und Studierenden von Schulgeld oder Studiengebühren würde allerdings zu kurz greifen. Die Schulen und Hochschulen müssen seit Jahren mit kleinen Budgets und zu geringen oder ohne Zuschüsse zurechtkommen. „Vor dem Festlegen von Fördermitteln sollten Vertreter von Ausbildungsstätten involviert sein. Denn sie wissen, unter welch zum Teil prekären Bedingungen Lehrende sich für die Ausbildung engagieren und Lehre gewährleisten.“, wünscht sich Hans-Jürgen Wöber, Vorsitzender des VDES. Verständlich, denn der Investitionsstau, den die Einrichtungen gezwungenermaßen vor sich herschieben, führt inzwischen zu nicht ausreichender Ausstattung oder anderen Mängeln und Wünschen, wie besser qualifizierte Lehrkräfte. Dazu der Geschäftsführer des VDES, Joachim Rottenecker: „Neben einem pädagogisch verantwortbaren Schüler-Lehrer-Schlüssel ist uns wichtig, festangestellte Lehrer mit einer über die rein fachlichen Kenntnisse hinausgehenden wissenschaftlich pädagogischen Qualifikation zu beschäftigen. Und sie auch entsprechend zu entlohnen.“ Keine überzogenen, sondern realistische und nachvollziehbare Ansprüche. Und dass die noch dazu bezahlbar sind, belegen die Zahlen des DVE. Der kommt auf einen Betrag von jährlich rund 13.000 Euro pro Schüler; vergleichbar mit den Kosten also, die zum Beispiel in der Physiotherapie anfallen. Und damit immer noch deutlich unter der Hälfte der Kosten in der Humanmedizin oder – vom Materialeinsatz ist dieses Studium ähnlich aufwändig – bei weniger als 70% der Kosten in der Veterinärmedizin liegen. Dazu Junge: „Die detaillierte Kalkulation geben wir ebenso gerne weiter wie alle weiteren Informationen die nötig sind, um sich einen Einblick zu verschaffen. Denn da zeigt sich: Was bewirken welche Ausgaben.“.
Anforderungen modernisieren und zukunftsweisend gestalten
Als Grundlage für alle weiteren Schritte hat der Verband letzten Sommer eine an den aktuellen Gegebenheiten und für die Zukunft zu erwartenden Anforderungen angepasste Überarbeitung des Berufsgesetzes für Ergotherapeuten an das zuständige Bundesministerium weitergeleitet. Denn eine Novellierung des über 40 Jahre alten Berufsgesetzes durch die regierenden Parteien ist nötig. Und ist erforderlich, um die Länder in die Pflicht zu nehmen. Bundesweit und einheitlich. Die Inhalte des überarbeiteten Berufsgesetzes dienen als Basis für die Kostenberechnungen. Die Ergotherapeuten haben ihr Berufsbild und ihre Tätigkeitsfelder wie kein anderer Beruf im Gesundheitswesen kontinuierlich weiterentwickelt und sie tun es in einem fort. Umso wichtiger ist es, diesen attraktiven Beruf für möglichst viele Schüler und Studierende zusätzlich durch Ausbildungskostenfreiheit interessant zu machen. Denn ein weiteres Dilemma sind die aufgrund der materiellen Aspekte seit längerem stagnierenden Schülerzahlen sowie die weiterhin geringe Akademisierungsquote in der Erstausbildung. Ein Beruf, und sei er auch noch so vielseitig und zukunftsorientiert, muss den Ausübenden das Leben und nicht nur das Überleben sichern.
Auszubildendenzahlen müssen wieder steigen
Dass künftig mehr Ergotherapeuten benötigt werden, ist unzweifelhaft. Die Heilmittelberichte der Krankenkassen untermauern diesen Bedarf jedes Jahr aufs Neue. Das wundert nicht, denn der Fokus in diesem Gesundheitsberuf liegt auf dem Empowerment, also der Befähigung derjenigen, die körperliche, geistige oder seelische Problemen zu bewältigen haben oder in einer Lebenskrise stecken. Eine ergotherapeutische Intervention ermöglicht diesen Menschen, ihren Alltag (wieder) selbstständig zu gestalten und zu bewältigen; sie erlangen ihre Handlungsfähigkeit zurück. Warum ist das so wichtig? Die Zahlen derer, die ihren Lebensunterhalt nicht oder nicht mehr aktiv selbst verdienen können, sprechen für sich. Beispielsweise die immer häufiger auftretenden Fälle von Frühverrentungen aufgrund psychischer Erkrankungen. Es ist im Firmeninteresse, eingearbeitete Mitarbeiter zu behalten. Ergotherapeuten sind immer häufiger in Unternehmen tätig. Sie sind dort als Coaches eingesetzt, die neben ergonomischen Aspekten beispielsweise Arbeitsabläufe und Arbeitsbelastungen einschätzen und Prozesse verändern. Allparteilich und mit der Beteiligung aller Involvierten. Oder als Job-Coaches: Für eine bestimmte Zeit kommen sie in Unternehmen, um Schwierigkeiten mit Schwerbehinderten systemisch zu beheben. Auch die vielfältigen Auswirkungen der demografischen Entwicklung lassen sich dank dem Einsatz von Ergotherapeuten oft besser lösen. Mit ihrer auf die Ressourcen und Kompetenzen fokussierten Vorgehensweise gelingt es Ergotherapeuten beispielsweise immer wieder, auch älteren und alten Menschen den Verbleib in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen. Und dadurch einen Aufenthalt im Heim zu verzögern oder sogar zu verhindern. Eine klare Kostenersparnis. Die sich auf zahlreiche andere Arbeitsbereiche von Ergotherapeuten übertragen lässt.
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